Wähle ein anderes Land oder eine andere Region, um Inhalte für deinen Standort zu sehen.
Meyer Burger CSO Katja Tavernaro
10.11.2021 - Interview

Interview mit Katja Tavernaro, Chief Sustainability Officer

Sie sind seit Juni 2021 Chief Sustainability Officer von Meyer Burger und für den Bereich Environmental Social Governance (ESG) – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – zuständig. Wie steht es mit der Nachhaltigkeit bei Meyer Burger? 

Meyer Burger fühlt sich aus sich selbst heraus dem Thema Nachhaltigkeit zu 100 Prozent verpflichtet. Für uns ist vollkommen klar, dass Nachhaltigkeit allein schon aufgrund der Natur unseres Kerngeschäfts ein integraler Bestandteil unseres Unternehmens sein muss. Wir haben deshalb ein klares Ziel vor Augen: Wir möchten eine kohärente ESG-Strategie im ganzen Unternehmen umsetzen. Dafür wollen wir nicht nur die nachhaltigsten Solarmodule der Welt produzieren, sondern auch als grünes Unternehmen – und dazu zählt der gesamte Life Cycle unserer Produkte – neue Standards setzen. Dass wir uns dabei Schritt für Schritt in die richtige Richtung bewegen, ist Teil meiner Aufgabe als Chief Sustainability Officer. Wir haben bereits wichtige Meilensteine erreicht, zum Beispiel in Bezug auf unsere Lieferkette, das Recycling und den Umweltschutz.

Wie definiert Meyer Burger Nachhaltigkeit?

Wir orientieren uns an den Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals der UN. Sie sollen Unternehmen einen konkreten Weg aufzeigen, um ihren Beitrag zu den globalen Nachhaltigkeitszielen zu leisten. Die Herstellung kosteneffizienter Solarzellen und -module sowie die Verbesserung ihrer Zugänglichkeit zahlt zum Beispiel direkt auf das UN-Ziel „Bezahlbare und saubere Energie“ ein. Als Technologieführer übernehmen wir hier eine Vorreiterrolle.

Wir fördern zudem nachhaltiges Wirtschaftswachstum sowie produktive Beschäftigungsverhältnisse und unterstützen so das SDG „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“. Darüber hinaus leisten wir mit Innovationen in der PV-Industrie einen aktiven Beitrag zum Aufbau einer widerstandsfähigen Infrastruktur und setzen uns für eine nachhaltige Industrialisierung sowie für die Entwicklung von zukunftsfähigen Städten und Gemeinden ein – auch das sind Ziele der UN.

Meyer Burger hat „die Nutzung der gegebenen Ressourcen für eine sinnvolle Wertschöpfung in unserer Gesellschaft“ im Nachhaltigkeitsbericht als eines der Ziele formuliert. Was bedeutet das genau?

Meyer Burger ist ein Fixpunkt der europäischen Solarindustrie. Als Unternehmen verpflichten wir uns nicht nur selbst zu möglichst ökologischem und sozialem Handeln, sondern wollen auch andere dazu befähigen. Unsere Vision ist klar: Wir wollen für die Zukunft eine nachhaltigere und jedem zugängliche Energieerzeugung ermöglichen und das mit unbedingtem Blick auf die sozialen Aspekte von Arbeit und Energiegewinnung. Das treibt uns an in unserer täglichen Arbeit.

Viele Unternehmen schärfen derzeit ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten. Dabei wird immer betont, dass dies mit Wirtschaftlichkeit einhergehen muss. Ist das bei Meyer Burger auch so?

Nachhaltig handeln und dabei wirtschaftlichen Erfolg zu haben ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Ein aus meiner Sicht gutes Beispiel für ein gelungenes Verhältnis von Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sind unsere Hochleistungsmodule. Wir verbessern kontinuierlich deren Energieeffizienz und entwickeln ressourcenschonendere Fertigungsprozesse. Wir haben es geschafft, die Herstellungskosten sowie den Produktions-Fußabdruck zu reduzieren – ein echter Erfolg, auf den wir mit Recht stolz sein dürfen. Klar ist, dass mit nachhaltigem Handeln häufig erst einmal ein Investment einhergeht. Wir bei Meyer Burger glauben daran, dass sich dieses Investment – sei es in Bezug auf Qualität, Kompetenz oder Innovationsgeist – langfristig lohnt.

Warum wäre eine ausschließlich europäische Lieferkette für Meyer Burger nachhaltiger?

Momentan beziehen wir Waren und Dienstleistungen wo immer möglich von lokalen Herstellern und Lieferanten und ergänzen mit europäischen und globalen Quellen. Besonders stolz bin ich auf unseren Standort Hohenstein-Ernstthal. Wir achten sehr darauf mit lokalen Lieferanten zusammenzuarbeiten und konnten 80 Prozent des Einkaufsvolumens tatsächlich aus der Region beziehen. Wir haben hohe Ansprüche an uns selbst, nachhaltige Produkte zu schaffen. Deshalb müssen wir auch unsere Lieferkette danach ausrichten, möglichst geringe CO2-Emissionen zu produzieren und Transparenz über Prozesse und den Materialeinsatz herzustellen. Das gelingt vor allem mit europäischen Anbietern. Eine Richtung, in die wir momentan denken, sind intereuropäische Warentransporte mit dem Zug. Mittelfristig wollen wir unsere europäisch ausgerichtete Lieferkette ausbauen und dabei auf die Diversifikation unserer Lieferanten achten. Wir wollen eine solche Lieferkette sowie das unbedingte Prinzip der Kreislaufwirtschaft  im Geschäftsmodell erfolgreich implementieren.

Was verstehen Sie unter dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft?

Ein vom Kreislauf der Natur inspiriertes Konzept einer abfallfreien Produktion. Ziel ist es, nicht nur die negativen Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt zu begrenzen, sondern noch weiterzugehen und einen positiven Fußabdruck zu hinterlassen. Die Herstellung von Produkten soll sicher für die Menschen, gut für die Umwelt und wirtschaftlich erfolgreich sein. Dafür muss ein sicherer und potenziell unbegrenzter Kreislauf von Materialien und Energie realisiert werden. Rohstoffe werden beispielsweise wiederverwendet und Abfall vermieden. Die Argumente für das Konzept liegen auf der Hand: Rohstoffknappheit, ökologische und soziale Probleme der Rohstoffgewinnung sowie Exportabhängigkeit, aber auch zunehmende Konflikte um Ressourcen könnten so reduziert werden. Meyer Burger hat sich dem Konzept verschrieben und auch ich persönlich kann es nur befürworten.

Meyer Burger hat im vergangenen Mai zwei Werke in Deutschland eröffnet. Wie nachhaltig sind die Standorte mit ihren Produktionen?

Unsere Produktionsstätten in Hohenstein-Ernstthal, Freiberg und Thalheim (Bitterfeld-Wolfen) werden mit 100 Prozent erneuerbarer Energie betrieben. Darüber hinaus nehmen wir auf lokale Bedingungen viel Rücksicht. Vor Inbetriebnahme wurden an den neuen Standorten beispielsweise verschiedene Tests durchgeführt, um die Biodiversität zu schützen. Grundsätzlich wollen wir auch im Umfeld unserer neuen Werke in Freiberg und Thalheim ein starkes Fundament aufbauen und langfristige, konstruktive Beziehungen mit den lokalen Behörden und Gemeinden eingehen. Dazu zählt für uns auch eine soziale Komponente: Wir sind ein attraktiver lokaler Arbeitgeber, der nachhaltiges Wirtschaftswachstum in verschiedenen Regionen in Deutschland fördert und innovative Arbeitsplätze schafft. Uns ist die Arbeit mit den Menschen der Region besonders wichtig.

Wie nachhaltig kann eine Produktion, die in ihrer Lieferkette Materialien wie Silber oder Silizium enthält, wirklich sein? Welche Rolle spielt Recycling?

Wir streben eine abfallfreie Produktion an. Mit dem Recycling von Abfällen haben wir bereits einen großen Schritt gemacht und im Jahr 2020 insgesamt 121 Tonnen Abfälle recycelt. Im Bereich der Rohstoffe sind wir fortlaufend auf der Suche nach innovativen Lösungen, um unsere Produkte weiter zu verbessern und unseren Rohstoffeinsatz zu verringern. Wir arbeiten mit innovativen Anbietern aus der Region zusammen, um sicher zu stellen, dass auch am Ende des Lebenszykluss‘ eines Modules die Rohstoffe vollständig rückgewonnen werden. Nur so lässt sich der zunehmenden Rohstoffknappheit langfristig begegnen und die lokale Wirtschaft beleben.

Wir können einige Erfolge vorweisen: Im Bereich der Indium-Zinn-Oxid (ITO)-Beschichtung wurde der Einsatz der Rohstoffe bereits um 25 Prozent reduziert. Der Einsatz von Silber wird dank technologischer Verbesserungen kontinuierlich minimiert. Darüber hinaus setzen wir auf nachhaltig produzierte Wafer, die aus höchstreinem Silizium von europäischen Herstellern produziert werden. Dabei sind wir technologisch in der Lage mit besonders dünnen Wafern zu arbeiten und somit auch hier deutlich an Silizium-Material einzusparen. Grundsätzlich vermeidet Meyer Burger auch gefährliche Rohstoffe im Produktionskreislauf. Bei herkömmlichen Produkten kann es beispielsweise vorkommen, dass Bleipartikel in die Erde gelangen. Um solche Risiken gar nicht erst entstehen zu lassen, produziert Meyer Burger bleifreie Module – keine Selbstverständlichkeit in der Branche. Die Segel in Richtung „sauberste Solarmodule der Welt“ sind also gesetzt.

Meyer Burger spricht von einem „werteorientierten“ Produktdesign. Wie kann man das verstehen?

Wie Sie wissen, positionieren wir uns heute erfolgreich als vertikalintegrierter Produzent von Solarzellen und -modulen. Dieser Wandel hat es uns ermöglicht, bewusste Entscheidungen für das Design unserer Produkte zu treffen. Als wir lediglich Zulieferer waren, war das natürlich nicht möglich. Am Ende haben wir eine Make-or-Buy-Entscheidung getroffen, die für uns absolut das Richtige war. Mit der Herstellung unserer eigenen Produkte konnten wir auch das Produktdesign weiterentwickeln. Wir achten heute besonders auf das Gleichgewicht zwischen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Für uns sind das zum Beispiel die Auswahl nachhaltiger Materialien, die vollständige Kompatibilität mit unserem Kreislaufkonzept sowie ein positiver ökologischer Fußabdruck sowie die Schaffung langfristiger guter Arbeitsplätze.

In Meyer Burgers Geschäftsbericht wird die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als explizites Kriterium für nachhaltige Wertschöpfung genannt. Was meinen Sie damit genau?

Als innovatives und nachhaltiges Unternehmen profitiert Meyer Burger von motivierten Menschen, die mit eigenen Ideen und Idealen hinter den Zielen des Unternehmens stehen. Wir wollen ein Arbeitsumfeld bieten, das unsere Mitarbeitenden motiviert, das Beste aus sich herauszuholen und unser Unternehmen gemeinsam voranzubringen. Besonders in diesen herausfordernden Zeiten – immerhin haben wir eine Unternehmenstransformation während der Covid-19-Pandemie hinter uns – erkennen wir die Vorteile eines modernen, kollaborativen und sicheren Arbeitsumfelds. Dafür stellen wir nachhaltige innovative Arbeitsplätze bereit, zahlen faire und geschlechterunabhängige Gehälter, haben ein verantwortungsvolles Workforce-Management sowie Benefits, wie einen Betriebskindergarten oder das Jobrad.

Nachhaltigkeit wird auch für junge Leute ein zunehmend wichtiges Thema. Erwarten Sie Vorteile beim Recruiting?

Es stimmt, wir gewinnen stetig neue Talente, die ein Teil der Renaissance der europäischen Solarindustrie sein wollen. Bei Meyer Burger können sie sich beruflich mit nachhaltigen Lösungen für eines der wichtigsten Probleme der Menschheit beschäftigen und so die Energiewende aktiv mitgestalten. Das ist für viele sehr reizvoll und auch mich selbst motiviert dieser Gedanke. Ein starkes Team ist und bleibt ein wichtiger Faktor für unseren Erfolg. Deshalb bin ich froh, dass sich auch immer mehr junge talentierte Menschen für eine sinnstiftende Arbeit wie bei Meyer Burger entscheiden.

Manche Unternehmen gehen das Thema Nachhaltigkeit gerade erst an. Warum lohnt sich die Auseinandersetzung damit?

Nur mit gemeinsamen Kraftanstrengungen aller im Kontext Nachhaltigkeit kann es gelingen, den Klimawandel aufzuhalten, ja sogar umzukehren. Diese große Aufgabe der heutigen Generation braucht alle, damit sie gut gelingt.  Darüber hinaus sind wir überzeugt, dass Unternehmen, die nachhaltige Ansätze früh umsetzen, im Wettbewerb die Nase vorn haben. Und wir können schon heute aus Erfahrung sagen: Mit einem nachhaltigen Produkt im Markt zu stehen, bedeutet, sich von konventionellen Produkten abzuheben, den Marktwert der Ware zu steigern und zusätzliches Innovationspotenzial im Unternehmen zu heben. Ich kann jedes Unternehmen nur darin bestärken, sich mit diesem immer wichtiger werdenden Thema auseinanderzusetzen und für etwaige Herausforderungen Lösungsstrategien zu entwickeln. Es gibt viele positive Zeichen im Markt – das macht uns Mut, unseren nachhaltigen Weg weiter zu verfolgen.